Reden

Reaktivierung der Bahnstrecke

15.06.20 – von Tom Wagener –

Seit einigen Tagen kann man in der Presse und den sozialen Medien vermehrt Berichte zur Reaktivierung der Niederrheinbahn lesen: Die SPD ist dafür, die direkten Anwohner dagegen, die CDU möchte im Rahmen des Wahlkampfs eine Umfrage durchführen, die FDP hält alles für zu teuer, obwohl das Land 95 % der Kosten übernehmen würde.

Da wir Grüne in der Neukirchen-Vluyner Politik oft das Zünglein an der Waage sind, wurden wir in den sozialen Medien gebeten - und von Ralf Köpke in der NRZ indirekt dazu aufgefordert - hierzu Stellung zu beziehen. Und das möchte ich gerne übernehmen:

Schon seit Jahren befasst sich der Neukirchen-Vluyner Stadtrat mit der Reaktivierung der Bahnstrecke. Und schon mehrfach wurde Bürgermeister Harald Lenßen dafür kritisiert, dass er sich zu wenig für die Strecke einsetzt oder dass er die Maßnahme nicht vernünftig mit dem Kreis Wesel und der Stadt Moers abspricht. 

Denn die Reaktivierung der Bahnstrecke ist nämlich keinesfalls nur im Interesse der Stadt Neukirchen-Vluyn, wie Kritiker immer wieder behaupten, wenn sie vorrechnen, dass unsere Stadt alle Betriebskosten zu tragen hätte. Die Reaktivierung ist auch ganz klar im Interesse der Stadt Moers und des Kreises Wesel. Mit dem Neubau des Berufskollegs-Campus in Moers stellt sich nämlich die Frage, wie zukünftig die mehr als 4.400 Schülerinnen und Schüler aus dem gesamten Kreis Wesel zum Campus gelangen sollen. Für große Parkplätze ist zwar gesorgt, jedoch sind viele Schülerinnen und Schüler auf den ÖPNV angewiesen und allein mit Bussen wird die Nachfrage nur schwer gedeckt werden können. Auch im Sinne einer nachhaltigen Mobilität brauchen wir hier eine ökologische Alternative.

Aber schauen wir auf unsere Stadt, denn aus Neukirchen-Vluyn werden nicht nur Schülerinnen und Schüler zum Berufskolleg-Campus pendeln, sondern auch die vielen Berufspendler. Aus dem „klimafreundlichen Mobilitätskonzept“ (Tabelle 2.2) wissen wir, dass täglich 6.500 Ein- und Auspendlern allein die Städte Moers und Duisburg als Start- oder Zielpunkt haben. Die vielen anderen Pendler, die täglich über die Rheinbrücke zu weiterführenden Zielen müssen, sind hierbei noch nicht mal eingerechnet. Viele der Pendler sind auf den ÖPNV angewiesen. Viele würden auf den ÖPNV umsteigen, wenn es eine gute Bahnverbindung gäbe. Ja, wenn. 

Aber noch sind wir nicht soweit. Derzeit wehren sich einige Bürgerinnen und Bürger, die direkt an der Bahnstrecke wohnen, gegen die Reaktivierung. Und das nicht ganz unbegründet, denn über Jahre wurde ihnen suggeriert, dass die Bahn nicht kommt und man doch lieber die Strecke stilllegen und vielleicht als Radweg ausbauen sollte.

Doch aus der Grünen Sicht ist das nicht sie priorisierte Lösung. Wir wollen eine Alternative, um über den Rhein zu kommen, ohne stundenlang im Stau zu stehen. Gerade, wenn die Reise anschließend per Bahn weitergehen soll, ist die Fahrt mit dem Bus sehr riskant - da kann man gut und gerne einen Bus eher nehmen und verpasst trotzdem die Bahn - und mit dem Auto hat man natürlich das gleiche Problem.

Die Anwohner können wir natürlich sehr gut verstehen. Daher muss man hier auf schadstofffreie und lärmarme elektrische Fahrzeuge setzen und die Emissionen möglichst gering halten. Auch müssen Anwohner Anspruch auf passiven Lärmschutz erhalten.

Eine Bürgerumfrage zu Wahlkampfzeiten, wie sie jetzt vielfach vorgeschlagen wurde, ist zwar interessant, weckt aber falsche Hoffnungen und suggeriert, dass wir als Stadt alles alleine entscheiden können - die Strecke gehört jedoch der NIAG, würde im VRR-Verbund betrieben werden, führt neben Neukirchen-Vluyn auch durch Moers und Duisburg und müsste zu 95 % durch das Land NRW finanziert werden. Die verbleibenden 5 % und ein Teil der Betriebskosten müssten vermutlich von den drei Städten und dem Kreis Wesel aufgebracht werden.

Um das abschließend klarzustellen: Wir Grüne wollen die Bahn, weil sie eine sinnvolle und nachhaltige Lösung für unsere zukünftige Mobilität ist. Und wir hoffen, mit einem Grünen-Bürgermeister dieses Ziel in der nächsten Ratsperiode zu erreichen.

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